Wir wollen dieses Jahr probieren, Awarenessarbeit mehr zu kollektivieren. Der Plan ist, dass ihr euch morgens in den sogenannten Check-In Gruppen treffen könnt. In den Check-In Gruppe soll miteinander eingecheckt werden und geschaut werden, was die einzelnen Menschen gerade brauchen und wie die Menschen in der Gruppe unterstützt werden können. Bei Konflikten, Grenzverletzungen oder Kritik am Verhalten von Personen, sollen die Menschen innerhalb der Check-In Gruppe dafür Verantwortung übernehmen und die notwendige Unterstützung bei erlebten Übergriffen und Grenzverletzungen anbieten, aber auch Verantwortung übernehmen, wenn von den Menschen innerhalb der Check-In Gruppe grenzverletztendes und übergriffiges Verhalten aufgefallen oder an die Check-In Gruppe herangetragen worden ist. Dafür sollen die Check-In Gruppen sich gegenseitig ansprechen und miteinander in Kontakt treten.
Infoblatt Check-in Gruppe:
Wir wollen dieses Jahr probieren, Awarenessarbeit mehr zu kollektivieren. Der Plan ist, dass ihr euch morgens in den sogenannten Check-In Gruppen treffen könnt. In den Check-In Gruppe soll miteinander eingecheckt werden und geschaut werden, was die einzelnen Menschen gerade brauchen und wie die Menschen in der Gruppe unterstützt werden können. Bei Konflikten, Grenzverletzungen oder Kritik am Verhalten von Personen, sollen die Menschen innerhalb der Check-In Gruppe dafür Verantwortung übernehmen und die notwendige Unterstützung bei erlebten Übergriffen und Grenzverletzungen anbieten, aber auch Verantwortung übernehmen, wenn von den Menschen innerhalb der Check-In Gruppe grenzverletztendes und übergriffiges Verhalten aufgefallen oder an die Check-In Gruppe herangetragen worden ist. Dafür sollen die Check-In Gruppen sich gegenseitig ansprechen und miteinander in Kontakt treten.
Außerdem sollen die Check-In Gruppen ein Ort sein, sich kollektiv mit Awareness und Diskriminierungen, Privilegien und Positionierungen zu beschäftigen. Es werden Inputs reingegeben, mit denen sich auseinandergesetzt werden soll.
Wir bitten jede Person, die auf dem Camp ankommt und drei Tage oder länger bleibt, sich ein Check-In-Gruppenticket zu nehmen. Bei kürzerer Aufenthaltszeit könnt ihr selber entscheiden, wie wichtig es euch ist.
Wenn ihr mit einem Menschen, den ihr schon kennt, in eine Gruppe wollt, nehmt euch 2 Tickets mit derselben Gruppennummer. Wir empfehlen: geht NICHT mit mehr als 2-3 Bezugsmenschen (als Gruppe) in eine Check-In Gruppe, damit größere Überschneidungen von Bezugsgruppe und Awarenessarbeit, die in der Check-In Gruppe stattfinden soll, nicht vorkommen.
Es gibt auch gesonderte Check-In Gruppen für FLINTA, BIPoC, Ableismusbetroffene, jüngere Menschen, ältere Menschen. Fall ihr eine Check-In-Gruppe möchtet, die hier nicht aufgezählt ist, kommt gerne auf das Awarenessteam zu.
Auf dem Ticket steht ein Treffpunkt, an dem ihr euch von 10:15-11:00 Uhr treffen könnt, um miteinander einzuchecken.
Bitte füllt beim ersten Check-In das Kontaktformular mit 2 Möglichkeiten, wie wir eure Check-in Gruppe kontaktieren können, aus. (Signal, Elem ent, E-mail, etc.). Die Formulare findet ihr am Zelt der Awareness AG und dort gebt ihr sie auch ab.
Tauscht euch beim ersten Treffen auch auf jeden Fall darüber aus, wie ihr euch gegenseitig kontaktieren könnt. Weitere wichtige Punkte für den ersten Check-In sowie die Gliederung einer Check-In Runde und Infomaterialien findet ihr auf unserer Seite (…) oder wenn ihr einfach den QR Code scannt.
Wenn ihr abreist oder aus anderen Gründen eure Check-In Gruppe verlassen wollt, gebt bitte euer Ticket bei der Awareness AG ab (oder, falls das Ticket nicht mehr vorhanden ist, gebt uns einfach Bescheid). Dann können wir einen Überblick bekommen und neu angekommenen Menschen euch zuweisen.
Wenn eine Situation über eure Kapazitäten in der Check-In Gruppe hinaus geht oder ihr euch nicht damit befassen wollt, gibt es noch unsere Awareness-Schichten, an die ihr euch jederzeit wenden könnt.
Wenn ihr Feedback, Kritik oder Optimierungsvorschläge habt, könnt ihr diese gerne schon während des Camps über unseren Briefkasten an uns weitergeben. Gegen Ende des Camps wäre es prima, wenn ihr unsere Umfrage (auf der Webseite) ausfüllen könntet.
Bei Fragen oder Unklarheiten könnt ihr euch bei der Awareness melden.
Die erste Check-In Runde:
Sprachen-Check (Deutsch, Englisch, andere Sprache?)
Vorstellungsrunde: Namen, Pronomen (wenn Menschen wollen) , Wie geht es mir gerade? und eine Kennlernfrage (siehe Talking Points zum Kennenlernen)
Erster Teil: Emotionales Ankommen (Schneckenrunde [Erklärung siehe unten])
- Was brauche ich um gut auf dem Camp anzukommen?
- Was für Ängste habe ich bezüglich Camp-Situationen?
- Auf was freue mich und warum bin ich gekommen?
Zweiter Teil: Organisatorisches (Meldekette)
- Wie können wir auf Bedürfnisse ans Camp als Gruppe eingehen? Wie können wir als Gruppe genannten Ängsten entgegenwirken?
- Wie geht ihr mit emotionalen Notsituationen um, die entstehen könnten?
- Wollt ihr eine Nachtbereitschaft haben? Und, wenn ja, wie?
- Tauscht gerne Kontaktmöglichkeiten aus
- Füllt das Check-In-Gruppen-Kontaktformular am Awareness-Zelt aus, in dem ihr zwei Kontaktmöglichkeiten dort angebt.
Dritter Teil: stille Reflexionsfragen (muss nicht mehr in der Check-In Gruppenzeit sein)
- An welche Person (außerhalb oder innerhalb der Check-In Gruppe) melde ich mich, wenn es mir schlecht geht? Sprich das gerne mit der Person ab, damit keine blöde Situationen durch nicht übereinstimmenden Erwartungen entstehen.
- An welche Person wende ich mich, wenn ich grenzverletztend war?
- Wie kann ich darauf achten, mir die Pausen und Räume zu nehmen, die ich brauche?
Erklärung Schneckenrunde: In einer Schneckenrunde ist immer die Person links von der Person an der Reihe, die gerade gesprochen hat. Wenn die Person nichts sagen möchte sagte sie „schneck“ oder „check“. Die Schneckenrunde geht idealerweise so lange, bis eine Runde lang keine Person noch etwas sagen will. Sie ermöglicht, dass jede Person an die Reihe kommt und die Möglichkeit hat zu sprechen, und schafft auch Raum für Dinge, die erst während der Runde aufkommen und noch gesagt werden möchten.
Gliederung einer Check In-Runde:
Vorstellungsrunde: Namen, Pronomen (wenn Menschen wollen), Wie geht es mir gerade? und eine Kennenlernfrage (siehe Talking Points zum Kennlernen)
Erster Teil (Schneckenrunde):
– Wie habe ich mich auf dem Camp gestern gefühlt?
– Was hat mir Freude gemacht?
– Habe ich eine Grenzverletzung oder Übergriff erfahren? Oder war ich grenzverletzend oder übergriffig?
Zweiter Teil (Meldekette):
– Was brauchen Menschen in der Gruppe?
– Wie können wir als Gruppe dafür sorgen, dass es Menschen in der Gruppe auf dem Camp besser geht?
– Wie können wir Verantwortung übernehmen für eine Person, die grenzvereltzend oder übergriffig war?
Awareness Input
– Gemeinsame Runde (Schneckenrunde): „Was löst dieser Input in euch aus?“, „Was für Gedanken kommen bei hoch“?
Plauderteil wenn noch Zeit:
– Auf was freut ihr euch heute auf dem Camp? Was würdet ihr gerne heute lernen?
Liste von Talking Points zum Kennlernen:
– Wenn es ein Moment gibt, in dem ich germerkt habe, ich will die Welt verändern, dann war es der…
– Wenn ich das tue, dann bin ich voller Feuer…
– Wenn ich etwas Gutes für mich tun will, dann mache ich das…
– Das ist weird an mir und ich liebs…
– Ich reagiere auf Stress meist… evt. Folgendes kann mir beim Umgang damit helfen…
Awarenessinput Montag
siehe Konzept unter die erste Check-In Runde
Awarenessinput Dienstag
Awarenessinput Mittwoch
Es gibt zwei Texte zur Auswahl. Der zweite Text kann für trans*- und questioning-Personen triggernd sein. Sollte eine Person aus eurer Gruppe den Text deshalb nicht lesen wollen, dann lest gemeinsam den ersten Text. Ansonsten lest den zweiten Text.
Text 1 (ohne Triggerwarnung):
Die Rolle, die ein Mensch in der Revolution spielt, wird dadurch bestimmt, „ob man sich auf die Seite der Unterdrückten oder auf die Seite der Unterdrücker stellt“, schreibt Morgan Bassichis, „im Schatten von struktureller Vernachlässigung, politischer Entfremdung, familiärer Ablehnung, chronischer Krankheit, staatlicher Gewalt und medizinischer Vernachlässigung rettet uns die queere Freundschaft. Queere Freundschaft – das, was Menschen manchmal gegenseitige Hilfe, Solidarität, Behindertengerechtigkeit, Fürsorge, Organisierung, Abschaffung von Unterdrückung oder vielleicht einfach Liebe nennt.“ Die Moral von der Geschichte, die ich meinem neuen kleinen Geschwistern zugeflüstert habe, ist, dass zwar nicht jeder das Glück hat, als „Schwuler” aufzuwachsen, aber jeder kann ein*e gute*r Freund*in eines „Schwulen“ werden.
Übersetzt aus https://enfleshed.com/blogs/moments-for-common-nourishment/the-salvation-of-queer-friendship-in-three-parts/
Text 2 (Triggerwarnung: explizite Beschreibung der Lebensrealität und alltäglichen Marginalisierung einer Trans-Frau):
„Trans* Mädchen verdienen es, dass Menschen sie beachten“ ist so eine niedrige Messlatte und doch – wir sind vielleicht 1% der Bevölkerung und haben kein gottverdammtes Geld oder Zeit oder Verbindungen oder Ressourcen und wir sind immer noch so verdammt unverändert die einzigen Menschen, die sich umeinander kümmern. Ärzt*innen verachten uns, also helfen wir uns gegenseitig, medizinische Versorgung über Staats- und sogar Landesgrenzen hinweg zu bekommen. Wir können uns kein Essen leisten, also kaufen wir uns gegenseitig Essen mit Geld, das wir nicht haben. Wir sind schwer traumatisiert und brauchen dringend Therapeut*innen und können uns diese auch sowieso nicht leisten, also werden wir zu den Therapeut*innen der anderen. …
Verschwindend wenige werden uns lieben, also geben wir auf und lieben uns einfach gegenseitig.
Die Dinge, die ALLE meine engsten Freundinnen durchmachen, lassen mich zittern und weinen vor hilfloser Wut, weil ich wünschte, ich könnte sie alle beschützen und für sie sorgen, so wie meine Mütter und Schwestern mich beschützt und für mich gesorgt haben; und meine Bemühungen sind so verdammt erbärmlich, dass mir übel wird.
Ich kann natürlich nicht einmal für mich selbst sorgen, und jedes Mal, wenn ich mich bei dem Versuch, für ein anderes trans* Mädchen zu sorgen, überanstrenge, verletze ich mich selbst und wälze die Last der Fürsorge einfach weiter auf die Menschen ab, die sich um *mich* kümmern. SIE können sich das auch nicht leisten und wälzen es daher weiter ab.
Wir sind die Vögel mit gebrochenen Flügeln und die Erde wimmelt vor Raubtieren: einander die Erde berühren zu lassen ist ein Todesurteil, also müssen wir einander alles geben, bis jemand anderes es tut.
Verstehst du den Hass, den wir für diese sterbende Welt empfinden, die langsam alle frisst, die wir am meisten lieben, und uns ihre Knochen vor die Füße spuckt, um uns vom Himmel zu holen?
Weißt du, wie es sich anfühlt, nicht zu leben, weil du es willst, sondern weil du weißt, dass dein Tod fünf weitere verursachen wird?
Jede verdammte trans* Frau, die in einer Gemeinschaft mit anderen trans* Frauen lebt, ist „lasttragend“. jeder verdammte Verlust ist einer, den wir uns nicht leisten können. jeder verdammte Verlust verursacht eine kaskade von weiteren Verlusten und Trauer.
Das funktioniert auch umgekehrt: jedes Quäntchen Unterstützung, das von „außen“ kommt, wird zu einer Rettungsleine von exponentieller Kraft. unsere Betreuer*innen können sich ausruhen. Einige unserer nicht erneuerbaren Ressourcen werden erneuert. Wir können weiter fliegen. Die Hilfe von außen gibt uns so viel mehr, als sie kostet, das ist kein Geheimnis. Wir werfen uns kollektiv jedem Menschen an den Hals, der außerhalb unseres Kampfes steht, selbst für die kleinsten, performativsten, symbolischsten Akte der Verbundenheit, weil selbst diese Tischreste eine solche Wirkung haben, dass es uns beschämt….
Es ist leicht, ein voreingenommen und engstirnig zu sein, darum geht es ja: mensch braucht nur nicht zu verstehen oder sich nicht genug zu kümmern, um mitzufühlen. Hass jedoch? Echte, klare, eiskalte Verachtung? Das ist geschmiedet. es braucht Zeit und Klarheit und Perspektive und endlose Verratungen der Hoffnung, geliebt zu werden, wie wir lieben.
Nimm ein trans* Mädchen zu dir nach Hause. Bring ihr Essen. Hilf ihr, Hormone zu bekommen. Hilf ihr, zur Arbeit oder zur Schule zu gehen. Geh mit ihr einkaufen, damit sie nicht allein bei für die Unterwäsche steht. Hilf ihr, das passende Make–Up zu finden. KÄMPFE für sie. Liebe sie, liebe sie, liebe sie, liebe sie, liebe sie…
Awarenessinput Donnerstag
Text 1:
Der Text ist nicht in einfacher Sprache geschrieben. Wenn ihr einfachere Sprache bevorzugt, lest Text 2.
(Wörtlich abgewandelter Ausschnitt aus: Rampe Reicht Podcast von simo_tier & SchwarzRund)
Die Modelle von Be_hinderung
Content Note: Beschreibung struktureller Be_hinderung/Diskriminierung
Das medizinische Modell besagt, dass du wegen deinem vom der Norm „abweichenden“ Körper benachteiligt wirst und um Hilfe kämpfen musst. Dabei wird der Kampf um Unterstützung / Zugang individualisiert.
Unsere Gesellschaft ist heute größtenteils nach dem medizinischen Modell strukturiert.
Nach dem sozialen Modell liegt Be_hinderung nicht am Defizit von deinem Körper. Denn die Gesellschaft ist so strukturiert, dass du sozial in diese Rolle gezwängt wirst.
Ich beantrage z.B. gerade bei verschiedenen Behörden Gelder für mehr Assistenz im alltäglichen Leben. Mir wird bei fast jedem Termin gesagt: „Aber das kostet ja so viel. Du musst dir darüber mal Gedanken machen.“
Das heißt es wird nicht gesehen, dass die Behindertenfeindlichkeit der Welt auf Kosten von Betroffenen existiert. Stattdessen wird gesehen, dass du als Individuum ein „medizinisches Problem“ bist, das für die Gesellschaft Kosten verursacht.
Besonders aus neurodivergenter Perspektive gibt es trotzdem wichtige Hinweise zu den Grenzen des sozialen Modells von Behinderung: Auch wenn die Gesellschaft anders aufgebaut und weniger ableistisch wäre, kann Be_hinderung anstrengend sein und Trauer bei Betroffenen auslösen.
Text 2
Ausschnitte aus: https://www.bpb.de/themen/inklusion-teilhabe/behinderungen/539319/ableismus-und-behindertenfeindlichkeit
(Content Note: Beschreibung einer ableistisch diskriminierenden Situation aus Betroffenen-Perspektive)
In der Bäckerei. Ich stehe in der Schlange vor der Brötchentheke. Nein – ich sitze. Ich bin Rollstuhlfahrerin und kleinwüchsig. Schaue ich geradeaus, sehe ich auf den Hosenbund der vor mir Wartenden. Die Verkäuferin sieht mich augenscheinlich nicht. Wie soll sie auch: Die Theke ist etwa ein Meter fünfzig hoch, ihr Blickwinkel ist ungünstig. Oder sieht sie mich doch? Schwer zu sagen. Eine andere Person kommt vor mir dran, obwohl eigentlich ich an der Reihe wäre. Das kann passieren. Als sie die nächste stehende Person drannehmen will, mache ich auf mich aufmerksam. Ich winke und rufe laut „Hallo, hier unten!“. Sie sieht hinunter und sagt „Ach Entschuldigung! Ich dachte die Person neben Ihnen wäre Ihr Betreuer“. Peinlich berührt kommt sie um die Theke herum und nimmt meine Bestellung entgegen. Es ist ein freundlicher Austausch, das Missverständnis ist schnell geklärt. Als ich die Brötchentüte entgegennehme und in meiner Tasche hinten am Rollstuhl verstaue sagt sie anerkennend: „Ich sehe schon, Sie brauchen meine Hilfe nicht. Sie sind Vollprofi – sehr versiert!“.
Ableismus wirkt sich ganz unterschiedlich auf die Lebensrealitäten aller Menschen aus. „Behindernd“ ist er allerdings vor allem für Menschen, die als „behindert“ klassifiziert werden und die alltäglich vor einer Vielfalt von strukturellen und zwischenmenschlichen Barrieren stehen.
Anmerkung: In dem oben genannten Beispiel wird ein sehr häufig sichtbares Bild von Ableismus und Be_hinderung aufgegriffen. Viele weitere Formen sind im Verständnis weniger präsent und deshalb trotzdem nicht weniger wichtig. Gerade von mehreren Diskriminierungsformen betroffene Personen werden dabei häufig zu wenig mitgedacht.
Awarenessinput Freitag
Heute möchten wir euch inspirieren, darüber nachzudenken, wer wann Care-Arbeit übernimmt, und wer – aus welchen Gründen – es nicht tut, und welche Probleme daran hängen, diese Arbeit auf andere abzuwälzen.
Ausschnitte aus:
https://communia.de/vergesellschaftung-ist-feministisch-die-sorgen-vergesellschaften-aber-wie-1
Sie sind die Airbags der Krisen, die Lückenfüller*innen, wenn der Staat die Kita Plätze reduziert, die Hände Haltenden, wenn niemand anders da ist. Insbesondere Frauen und queere Menschen tragen oftmals nicht nur die Sorgen in Form von mental loads, sondern tragen auch zum Fortbestand der Gesellschaft bei, indem sie überproportional in Sorgeberufen sowie mit einer zweiten Schicht im privaten Haushalt tätig sind. Ziel eines feministischen Projektes kann es nicht sein, Sorgearbeit weiter zu privatisieren, auszulagern und in die Hände von meist migrantisierten und rassifizierten Personen zu (ver)schieben. … Care Arbeit grundlegend umzugestalten, (um)zuverteilen und zu demokratisieren ist keine einfache Forderung, das liegt vor allem an den Eigenschaften von Care Arbeit. Sie lässt sich schlecht wegrationalisieren, reduzieren und nur begrenzt automatisieren. Sorgearbeit ist „hands on“, sie ist personenbezogen, ortsgebunden und muss gemacht werden. … Care Arbeit [findet] oftmals vereinzelt und fragmentiert im privaten Raum [statt], anstatt in Betrieben, in denen es leichter ist, sich zu organisieren als am Küchentisch während der 24-Stunden-Pflege oder zwischen Wickel- und Bürotisch. Die Vergesellschaftung von sozialer Reproduktion (den zur Erhaltung des unmittelbaren Lebens notwendigen Tätigkeiten) ist bei weitem keine neue feministische Forderung. … Von Kantinen, über Kindergärten bis hin zu öffentlichen Bädern und Waschsalons ist historisch auf ein breites Repertoire an Vorschlägen zurückzugreifen. Erinnert sei auch an die Forderungen des internationalen Feministischen Kollektivs bei dem sich verschiedene politische Gruppen weltweit um einen Lohn für Hausarbeit vernetzten (1972-1978). Seit einigen Jahren schielt der feministische Blick auch zunehmend auf die Erfahrungen munizipalistischer Bewegungen in Spanien oder auf integrale Care Systeme in Argentinien oder Chile. …
Der munizipalistische Ansatz steht für eine neue politische Herangehensweise, die auf (Re-)kommunalisierung öffentlicher Infrastrukturen, die Feminisierung und Demokratisierung der Politik und des politischen Raums abzielt. … Um die derzeitigen gesellschaftlichen Reproduktionsverhältnisse umzuwälzen, braucht es nicht nur eine Veränderung der materiellen Bedingungen, unter denen sie stattfinden, sondern auch eine neue gelebte Praxis: Eine Praxis von Sorgearbeit, die nicht vergeschlechtlicht, migrantisiert und rassifiziert ist, sondern Sorgeverantwotung gerecht verteilt. Ein Ausprobieren solcher Praktiken findet bereits in sogenannten commoning Praktiken – also einer gemeinschaftlichen, selbstverwalteten Organisation bestimmter Tätigkeiten statt. … Zechner bezeichnet dies als Ökosystem von Care in Form von Kindererziehung und betrachtet Commons mehr als einen Prozess und verwobene soziale Beziehungsgefüge. Damit sind Commons in der Lage, die rigide Trennung von mikro- und makropolitischen Ansätzen zu transzendieren und fungieren als „social-familial-local ecosystems that try to weave spatialities and temporalities of care together responsively, supporting one another in the daily struggle to extend lives and families beyond the nuclear and individualist paradigm.“ … Commoning und caring communities fungieren neben dem Munizipalismus als eine Antwort auf die Frage, wie feministische Vergesellschaftung jenseits von Markt, Staat und Privathaushalten aussehen kann und zu erreichen wäre. … Eine Ambivalenz von Caring Communities, Commons Ansätzen oder auch munizipalistischen Initiativen sind die Gefahren der Ko-Optation und Enteignung von Care Ressourcen durch den kapitalistischen Staatsapparat, der Reproduktion reguliert, steuert und ordnet. … Problematisch ist, dass Caring communities neben Frauen und anderen marginalisierten Gruppen, oftmals die (Sorge-) Lücken füllen, wenn die existierenden institutionell bereitgestellte Formen und Strukturen nicht ausreichen:
Je weniger Personen als Hausfrauen zur Verfügung stehen, desto mehr Sorgelücken gibt es zu füllen. Dass an dieser Stelle dann meist migrantisierte, rassifizierte und prekär angestellte weibliche oder weitere marginalisierte Personen für weiße Mittelstands Frauen einspringen oder Freiwillige den professionellen Care Arbeiter*innen unter die Arme greifen, ist eine Entwicklung des Kapitalismus. Die Soziologin Tine Haubner zeigte …, dass das Kapital nicht vor der Indienstnahme der Ressource Gemeinschaft zurückschreckt. In einem Forschungsprojekt gemeinsam mit Silke van Dyk, weist sie auf die Herausbildung eines Community Kapitalismus als eine gesellschaftliche Formation hin, die im Zuge der Neoliberalisierung und Ökonomisierung entstand. … Haubner beobachtet eine zunehmende Verzivilgesellschaftlichung besonders im Bereich der Care Arbeit, die das freiwillige Tätigsein, utopisiert anstatt es als unentlohnte und prekäre Arbeit sichtbar zu machen. Gerade im Bereich der Care Arbeit ist Freiwilligkeit ein Fallstrick und führt zu Ausschlüssen: wen pflege ich gerne freiwillig, und wer kümmert sich um diejenigen, die übrig bleiben?
Awarenessinput Samstag
Es gibt zwei Texte. Einen zu Klassismus bzw. Armutsbetroffenheit und einen zu Rassismus. Wählt selbst.
Text 1:
#IchBinArmutsbetroffen Hi, ich bin Anni, 39 und habe die Schnauze voll! Ich lebe von HartzIV und es reicht ganz einfach nicht! Nein, ich kann keine weiteren Kosten senken. Nein, ich kann nicht auf das spritsparende Auto verzichten. Nein, ich gebe kein Geld „unnütz“ aus. Ich versuche nur, uns einigermaßen gesund und ausgewogen zu ernähren und meinem Kind den Anschein von Normalität zu bewahren. #IchBinArmutsbetroffen weil ich krank bin🤷♀️ Und ich gebe alles, um dem entgegen zu wirken. Trudeln Rechnungen ins Haus wie Versicherungen oder muss ich in einem Monat was schieben und im nächsten auffangen, belaufen sich meine finanziellen Kapazitäten mitunter auf unter 300€. Das ist Realität. Für viele Betroffene, ob berufstätig, studierend, berentet oder oder oder. Wir können nicht mehr. Wir sind weit überm Limit. #IchBinArmutsbetroffen und ich bin es leid in Schubladen gesteckt zu werden. Nicht gesehen zu werden. Nicht Ernst genommen zu werden! Es muss sich was ändern.
Quelle: https://twitter.com/Finkulasa/status/1526438138918445056
Text 2:
„Linke Bewegungen tun sich offenbar besonders schwer damit, sich Debatten und eigenen Verfehlungen zu stellen. … Gegen Rassismus zu sein ist … keine Garantie dafür, nicht selber rassistisch sozialisiert worden zu sein, somit Rassismus verinnerlicht zu haben und von daher auch rassistisch zu denken, zu sprechen und zu handeln. Woher soll eine weiße, sich als antirassistisch bezeichnende Person nun aber wissen, dass ihr Selbstbild vom propagierten Wertekatalog gegebenenfalls abweicht? Indem sie sich nicht nur von anderen weißen Personen spiegeln lässt, sondern indem sie die Außenwahrnehmung mit der Selbstwahrnehmung in Abgleich bringt und sich von Expert*innen – und das sind in allererste Linie Betroffene – sagen lässt, wie es um die Tatsächlichkeit und Glaubwürdigkeit ihrer antirassistischen Haltung bestellt ist. Genau das ist aber, was ausgesprochen selten passiert. Meist sind weiße Punk-Gebliebene, die sich schon in ihrer Jugend mit Nazis gefetzt haben, nicht diejenigen, die gewillt sind, ihre Plattenkisten auf rassistische (oder sexistische, ableistische usw.) Aspekte hin kritisch durchzuhören oder diskriminierende Parolen und Slogans bewusst auszusortieren.“
Awarenessinput Sonntag
Wird noch veröffentlicht